Besser Nein-sagen lernen – klar und mit einer Prise Leichtigkeit

Jetzt hab ich mal Nein gesagt und gleich ein schlechtes Gewissen. Warum eigentlich? Darf ich nicht mal zugeben, dass mir grad alles zu viel wird und ich einen Moment Pause brauche! Wieso quält mich dann eine innere Stimme, die sagt ich sei undankbar und denke nur an mich!“

Kennen Sie auch solche Gedanken?

Dann sind Sie nicht allein. Laut einer Infratest-Umfrage sagen 81 Prozent der Deutschen, dass sie schlecht Nein sagen können. Frauen sogar öfter als Männer. Woran liegt das. Wir wollten genauer hinschauen:

Carolin M.,(den Namen habe ich verändert), einer Kundin von uns, war es sehr vertraut, fast schon automatisiert „Ja“ zu sagen und helfen zu wollen, wenn andere ein Anliegen hatten. Auf Dauer tat ihr das nicht gut, oft kam sie in zeitliche Nöte, was eigene Aufgaben anbelangte. Gleichzeitig hatte sie den Anspruch an sich, für andere da zu sein. Das fühlte sich für sie wie eine Zwickmühle an. Genau das war der Grund, weswegen Frau M. ein Coaching bei uns gebucht hat. Sie wollte selbstbestimmter für sich entscheiden können – mehr auf sich achten (dürfen)…und ergründen, warum es ihr immer wieder so schwerfällt, sich abzugrenzen.

Gemeinsam machten wir uns an die Arbeit und hatten dabei drei Themen im Fokus:

  1. Was sind „Fallen“ – gemeint sind gedankliche Fallen, in die Menschen immer wieder tappen, wenn sie eigene Bedürfnisse benennen?
  2. Was ist der Gewinn, wenn es doch gelingt, selbstbestimmter zu handeln?
  3. Was sind machbare Schritte, die sich stimmig anfühlen?

In welche Fallen tappen Menschen, wenn es darum geht auch einmal Nein zu sagen

Oft liegen die Gründe dafür in der Vergangenheit, zu den häufigsten Ursachen gehören hier Ängste – z.B. vor sozialer Ablehnung oder vor negativen Konsequenzen. Besonders prekär kann es werden, im Job gegenüber Vorgesetzten „Nein“ zu sagen. 

Je nach Situation und Persönlichkeit können weitere „Fallen“ sein:

1. Falle: Schmeicheleffekt

Natürlich sind wir gerne für andere Menschen da und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Und ehrlich gesagt fühlt es sich oft auch gut an, gefragt und gebraucht zu werden. Das wertet auf und gibt Menschen ein positives Selbstbild.. Die Konsequenzen für den eigenen Alltag – Stress durch Mehrarbeit, die wir uns aufgeladen haben, treten zunächst in den Hintergrund, bzw. werden häufig als normal und nicht veränderbar hingenommen. Auch der damit verbundene Ärger! Auf Dauer führt das zu eigenem Frust.

Die Lösung könnte lauten: Sich selber auf die Schliche kommen 😊 und das eigene Handeln zunächst kritisch hinterfragen: „Geht es hier eigentlich um mich, brauche ich nur das Gefühl zu helfen? Oder geht es wirklich um die andere Person?“

2. Falle: Angst vor Ablehnung

Unser Gegenüber mag verwundert oder enttäuscht sein, wenn wir einer Bitte nicht nachkommen. Mag dies sogar lautstark benennen: „Das hätte ich jetzt nicht von dir gedacht, dass du mich im Stich lässt!“…das finde ich jetzt ziemlich egoistisch von dir! Harte Worte und eine Reaktion, die je nachdem wer es sagt und wie es gesagt wird, sofort zu einem schlechten Gewissen führen. Schließlich will keiner sein Gegenüber bewusst im Stich lassen

Die Ursache liegt meist in der Vergangenheit – vielleicht haben Sie früher gelernt, dass es selbstverständlich ist, für andere da zu sein, auf deren Bedürfnisse zu achten. Dafür gab`s anerkennende Blicke und Worte. Das tut natürlich gut! Dachte man mal an sich, galt man schnell als undankbar oder egoistisch. Wer will das schon auf sich sitzen lassen… ?

Auf Dauer ist es ebenfalls ein hoher Preis, den Menschen zahlen – manche müssen erst mühsam lernen, sich und ihre Bedürfnisse überhaupt kennenzulernen. Meist hat man vorher recht viel Frust durchlebt und verinnerlicht womöglich Gedanken wie: „Was ich möchte ist nicht wichtig!

Ein Weg raus aus dieser Falle: Sich den Automatismus bewusst zu machen. Eigene Bedürfnisse in einer Situation erkennen und ernst nehmen. Und: Den Vorwurf des Egoismus hinterfragen: „Was ist eigentlich egoistischer – eine Bitte abzuschlagen, oder wenn mein Gegenüber seine Sympathie davon abhängig macht, ob ich hilfsbereit bin oder nicht?

3. Falle: Vergleiche mit anderen

„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit!“ Sören Kierkegaard

Der Kollege scheint stets für andere da zu sein – häufig steht er gerade in technischen Dingen mit Rat und Tat zur Seite. Oder er meldet sich für Aufgaben, die im Team erledigt werden müssen – und alles macht er mit einer solchen Leichtigkeit! Was für eine Gabe!

Auch unter einem solchen Einfluss kann es passieren, dass wir uns umso minderwertiger oder egoistischer fühlen, wenn wir nicht so hilfsbereit sein können. Vielleicht auch einfach spüren, dass die eigene Kraft/das eigene Geschick offensichtlich nicht reicht. In solchen Momenten zu sich zu stehen, sich zu sagen:„Gerade ist es so, dass ich mehr Ruhe brauche!“ fällt umso schwerer und fühlt sich gleich noch inkompetenter an.

Vergleiche sind regelrechte Energiefresser – sie können Menschen zwar herausfordern, das Beste zu geben, gleichzeitig vergiften sie häufig das eigene Innenleben. Dies auch, weil wir i.d.R. kritischer mit uns und unseren Fähigkeiten umgehen, als andere dies tun würden. Wer sich ständig mit anderen vergleicht, erliegt schnell der Illusion, Gleiches leisten zu müssen….und verliert sich und die eigene Fähigkeiten dabei völlig aus den Augen.

Die Lösung: Ganz einfach – Ja zu sich und den eigenen Grenzen zu sagen 😊 Oder frei nach dem Spruch des indischen Philosophen Osho – 

Respektiere deine Einzigartigkeit und höre auf, dich zu vergleichen!“

4. Falle: Fehlende eigene Pläne und Ziele

Wofür lohnt es sich auf mich zu achten und Grenzen zu setzen? Wenn ich kein eigenes Bild habe, von dem was ich gerne erreichen würde dann besteht die Gefahr, dass das Leben zu häufig dazwischenkommt mit diversen Verlockungen oder Pflichten. Manchmal ist es einfach auch bequemer, für andere da zu sein, als sich um sich selber zu kümmern. Sich eigene Ziele zu setzten bedarf ebenfalls einer gedanklichen Anstrengung.

Die Lösung: Erlauben Sie sich den Blick auf eigene Wünsche, für die Sie Zeit investieren möchten. Das hilft garantiert, nicht mehr so schnell anderen zur Verfügung zu stehen.

5. Falle: sich verantwortlich fühlen

„Die Stimmung im Büro ist gerade nicht gut? Da muss ich doch etwas tun können! Vielleicht mal mit Claudia und Manuela sprechen? Oder mal wieder etwas Gemeinsames fürs Team organisieren!“ 

Wer sich häufig verantwortlich fühlt für Themen, die er eigentlich nicht beeinflussen kann, tappt ebenso in eine Falle, die sehr energieraubend sein kann.

Die Lösung: Hinterfragen Sie kritisch: Ist das hier wirklich mein Tisch? Und hab ich gerade überhaupt die Zeit und die Kraft, mich dieser Sache zu widmen? Lautet die Antwort Nein – dann lassen Sie es besser.

Welche „gedankliche Falle“ kommt Ihnen vertraut vor?

Bei meiner Coachee war es der Klassiker: Als egoistisch zu gelten, wenn sie an sich denkt. Für sie war es eine Erkenntnis, dass Helfen als normal in ihrem Selbstbild verankert war. Dass es von Ihrer Familie schlichtweg erwartet wurde – dies subtil ohne dass es offen ausgesprochen wird.

Es dauerte eine Weile, bis sie sich ihrer Bedürfnisse bewusst wurde, als wir dann daran arbeiteten, mehr und mehr zu sich zu stehen, musste sie lernen, das Gefühl auszuhalten, andere auch einmal zu enttäuschen. Das war kein leichter Prozess. Geholfen hat ihr die Tatsache, dass es sich für Sie gut und klar anfühlte, sich an manchen Stellen abzugrenzen. Und dass sie in vielen Situationen merkte, dass andere Menschen gar nicht unbedingt verärgert reagieren, so wie Sie es kannte und insgeheim befürchtete.

Was spricht denn nun dafür, zu sich zu stehen – was ist der Mehrwert?

Starten möchte ich mit einem Spruch aus unseren Seminaren: „Konstruktiv Nein-Sagen!“

„Wer immer Ja sagt, der sagt automatisch Nein zu sich selbst!“

Und daher: Wer nicht leerlaufen will und ausgenutzt werden möchte, muss irgendwann lernen, Grenzen zu erkennen und diese aktiv zu setzen. Auch hier macht die Dosis das Gift. Jede Übertreibung – ob immer Ja oder immer Nein schadet! 

Dafür lohnt es sich: Wer zu oft Ja sagt erntet weniger Respekt und verliert unbewusst auch die eigene Selbstachtung. Grenzen setzen können bedeutet automatisch selbstbewusst zu handeln, den eigenen Wert zu sehen und sich und seine Anliegen ernst zu nehmen. Das tut gut und ist auf Dauer viel ehrlicher und entspannter. Außerdem: Ist diese innere Haltung einmal verankert machen wir die Erfahrung, dass auch andere unser Nein akzeptieren – mitunter ernten wir sogar Respekt und werden um die Fähigkeit beneidet.

Das war`s auch bei Carolin: „Da muss ich erst 45 Jahre alt werden, um mich wohl dabei zu fühlen, wenn ich zu mir stehe!“ „Und es ist gar nicht so schwer, wenn einmal der Knoten geplatzt ist!“  Diese Sätze sagte sie strahlend am Ende der beiden Coachingeinheiten, die wir vereinbart hatten. Eine Erkenntnis, die mich ebenfalls sehr gefreut hat.  

Und wie gelingt es nun – welche konkreten Handlungen können helfen?

Hier möchte ich Ihnen fünf Impulse mit auf den Weg geben.

Erster Impuls: Räumen Sie sich Bedenkzeit ein

Wer sagt denn, dass Sie sofort entscheiden müssen. Wägen Sie stattdessen in Ruhe ab und verschaffen Sie sich Zeit: „Darüber möchte ich erst nachdenken, ich melde mich bis morgen bei dir!“ 

Analysieren Sie ggf. mit Hilfe der folgenden Fragen:

  • Was genau soll ich für die andere Person machen?
  • Wie viel Aufwand ist damit verbunden?
  • Habe ich gerade die Zeit dafür? Mache ich es gerne? 
  • Was bleibt dafür liegen, wenn ich dem Wunsch nachkomme?
  • Was sind die Konsequenzen? Komme ich dadurch selber unter Zeitdruck? 

Das klingt vielleicht ein wenig statisch, so als ob man verhandelt, wenn man jemandem einen Gefallen leistet.. Es lohnt sich, abzuwägen – schließlich wollen Sie durch ein Nein niemanden verletzen und zeigen auch sich selbtst, dass sie beides ernst nehmen: Das Anliegen Ihres Gegenüber wie auch Ihre Situation. 

Zweiter Impuls: Den eigenen Motiven auf die Schliche kommen 

Was steuert mich gerade? Angst vor Sympathieverlust?, …vor beruflichen Konsequenzen? Angst davor, eine Chance zu verpassen? Versuchen Sie herauszufinden, was sie triggert, zu schnell Ja zu sagen.

Hinterfragen Sie dann: Will ich wirklich helfen oder steckt etwas anderes dahinter?

Dritter Impuls: Sich die Erlaubnis geben, Nein zu sagen

Erlauben Sie sich die Abgrenzung. „Nein!“ ist bereits ein Satz und braucht keine Begründung. Sie sind nicht verpflichtet, eigene Grenzen für andere zu überschreiten – andere tun dies ja auch nicht für Sie.

Vierter Impuls: Bleiben Sie in Ihren Aussagen klar und bestimmt 

Fassen Sie sich eher kurz und bleiben Sie auf jeden Fall freundlich:

  1. „Das geht leider nicht!“
  2. „Ich muss ablehnen/absagen!“
  3. „Nein!“

Verzichten Sie möglichst auf Notlügen: So etwas wie: „Das geht nicht, da habe ich bereits etwas vor!“  Notlügen schwächen eher und wenn die Situation auffliegt, stehen Sie unglaubwürdig da. Das müssen Sie sich nicht antun.

Und verzichten Sie möglichst auf beschwichtigende Sätze oder Floskeln wie: „Bitte nicht böse sein…!“  Vielleicht könnte ich…!“ „Tut mir echt leid, aber…!“ Auch hier besteht wie bei Notlügen die Gefahr, dass Sie sich kleiner machen. Mitunter machen wir das, weil wir meinen, andere dadurch weniger zu verletzen. Grundsätzlich ist es ehrlicher und auf Dauer angenehmer, klar zu bleiben. 

Fünfter Impuls: 

Dieser enthält einige hilfreiche Sätze für verschiedene Situationen: Manchmal sind Begründungen angebracht, insbesondere wenn wir unserem Vorgesetzten eine Bitte/eine Aufforderung ausschlagen. Oder wenn aus einem Nein ein „Ja, und…!“ wird. Wie klingen dann folgende Sätze für Sie?

Möglichkeiten, auf Anliegen eines Vorgesetzten zu reagieren: 

An Abmachungen erinnern:

  • „Wir hatten seinerzeit verabredet, dass das andere Projekt unbedingt Vorrang hat. Können Sie mir kurz erklären, wieso dies jetzt anders ist?“
  • „Sie hatten mir für heute Nachmittag frei gegeben. Inzwischen habe ich dort eine paar wichtige Termine, die ich nicht mehr absagen kann.“

Folgen verdeutlichen:

  • „Danke für Ihr Vertrauen. Ich habe bereits mehrere laufende Projekte, um die ich mich kümmern muss. Wenn ich diese Aufgabe zusätzlich übernehme, wird sich der Abgabetermin von Projekt X zwangsläufig nach hinten verschieben.“

Alternativen anbieten

  • „Ich habe leider nicht die Zeit, später bei der Präsentation dabei zu sein. Ich könnte helfen, die Folien nachher noch aufzubereiten.“
  • „Leider schaffe ich das heute nicht mehr. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, könnte ich mich sofort im Anschluss daran machen.“

Nein-sagen gegenüber Kolleg*innen oder Bekannten: 

Verständnis zeigen: 

  • Ich verstehe deine schwierige Lage, aber ich kann gerade keine Minute entbehren. Leider stecke ich selbst tief in meinen Projekten fest.“
  • „Über dein Angebot freue ich mich, ich habe jedoch andere Pläne!“ 
  • „Ich verstehe, dass es eine lästige Aufgabe ist, aber dieses Mal bist du dran und musst sie übernehmen!“

Konsequent bleiben:

  • „Ich fühle mich geschmeichelt, aber die Wochenenden gehören meiner Familie.“
  • „Es tut mir leid, ich verleihe grundsätzlich kein Geld.“
  • „Mir macht diese Arbeit auch keinen Spaß – aber es ist deine Aufgabe!“

Das sind ein paar Möglichkeiten, Grenzen zu setzen. Klingt bereits etwas stimmig für Sie? Wir freuen uns, wenn Sie Impulse gefunden haben. Meist gelingt es nicht von heute auf morgen – Grenzen setzen muss man üben und eigene Erfahrungen bei machen. Hierzu bieten wir immer wieder Seminare oder Coachings an – die nächsten Seminar-termine werden Mitte Dezember auf unserer Website veröffentlicht werden.

Kommen Sie gut in den Advent

Herzlichst

Ihre

Karin Grahn und Beate Pflieger-Lorenz

Am 06.12.2023 findet in der Zeit von 14.00 Uhr – 16.00 Uhr ein Webinar r zum Thema Besser streiten statt. Informationen zu dem Thema finden Sie u.a. in unserem ausführlichen BLOGartikel des letzten Monats. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.