Der Innere Kritiker
Der Innere Kritiker – und wie wir mit ihm umgehen können
„Ein jeder ist sich selbst der größte Feind“ Leopold Schefer
„Du strengst dich nicht richtig an!“, „Wie peinlich!“, „Dafür wirst du mit Sicherheit ausgelacht!“ – wir alle kennen diese Gedanken aus unserem Alltag. In bestimmten Situationen meldet sich eine innere Stimme, die uns klein machen möchte, uns im Wege steht, neue Dinge auszuprobieren und uns in unserem Tun hemmt. Auch ich kämpfe gerade mit dieser Stimme: „Einen Blog schreiben? Das hast du doch noch nie gemacht!? Das kannst du doch gar nicht! Das will doch sicher eh niemand lesen!“.
Da ist er wieder: mein INNERER KRITIKER, der mir beim Schreiben über die Schulter schaut. Er taucht oft zu den ungünstigsten Zeitpunkten auf. Er lässt uns abends im Bett nicht einschlafen, analysiert jegliche Fehler, die wir in letzter Zeit gemacht haben könnten, macht uns runter, nagt an unserem Selbstbewusstsein. Doch woher kommt unser eigener, persönlicher INNERER KRITIKER? Und wie können wir lernen, besser mit ihm umzugehen?
Dieses Thema hat mich sehr interessiert, weshalb ich im Zuge meines Praktikums das Impulsseminar „Der innere Kritiker“ am Schulz von Thun Institut in Hamburg besucht habe. Dieser Blog soll Ihnen nun einen kurzen Überblick über die Thematik des INNEREN KRITIKERS verschaffen und Ihnen möglicherweise den Impuls geben, sich näher mit Ihrem eigenen INNEREN KRITIKER und dem Umgang mit diesem zu beschäftigen.
Woher kommt der INNERE KRITIKER?
Der INNERE KRITIKER begleitet uns schon sehr lange. Meist liegt sein Ursprung weit zurück in unseren Kindheitstagen. Als Kind werden einem von den Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen die Normen und Werte unserer Gesellschaft vermittelt. Sie sind der moralische Kompass eines jeden Kindes. Sie geben vor, was gut oder schlecht ist, welches Verhalten erlaubt und welches verboten ist.
„Schämst du dich nicht?“ „Das tut man aber nicht!“
…wir alle erinnern uns an derartige Ermahnungen. Für ein Kind sind solche Zurechtweisungen äußerst schmerzhaft. Einige Erwachsene vermitteln den Kindern, dass sie sich mehr anstrengen müssen, um gut zu sein. Als Kind zieht man daraus den Schluss, dass man nicht gut ist, wenn man etwas nicht gut macht. Um einer Zurechtweisung oder der Scham aus dem Weg zu gehen, vermeiden Kinder Situationen, in denen diese Gefahr droht – es entsteht eine Art Mutlosigkeit. Der INNERE KRITIKER übernimmt in dieser Phase eine Schutzfunktion! Seinen Ursprung hat er in einem kleinen „gebrannten Kind“, welches eigentlich nur um jeden Preis Schaden von uns abwenden möchte.
Problematisch wird es, wenn der INNERE KRITIKER auch im Erwachsenenalter großen Einfluss auf uns hat und Sie sich mit einer starken Selbstkritik im Wege stehen. Das „gebrannte Kind“ wird immer ein Teil von uns bleiben, doch wir müssen lernen, ihm als Erwachsener etwas entgegenzusetzen und die Kontrolle zurückzuerlangen!
Wie erlangen wir die Kontrolle zurück?
Loswerden können wir unseren kindlichen Widersacher nicht. Er ist und bleibt ein Teil unserer Persönlichkeit. Aber wie können wir lernen, besser mit ihm umzugehen? Schließlich hat er ja auch seine guten Seiten. Dazu möchte ich Ihnen fünf Punkte mit auf den Weg geben, die mir im Seminar und in der nachfolgenden Lektüre nahe gelegt wurden.
1. Gestehen Sie sich ein, dass er da ist und erforschen Sie Ihren INNEREN KRITIKER
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- In welchen Situationen tritt er auf?
- Welche Gefühle löst er bei Ihnen aus?
- Was sind seine Hauptkritikpunkte?
- Wie geht er mit Ihnen um, wie kommuniziert er mit Ihnen?
Hierbei hilft es, sich diese Fragen täglich zu beantworten und eine Art Tagebuch über Ihren INNEREN KRITIKER zu führen. Dadurch können Sie später beispielsweise Situationen herauskristallisieren, die er immer wieder kritisiert und in denen er immer wieder auftaucht
2. Visualisieren Sie Ihren INNEREN KRITIKER
Geben Sie ihm einen Namen, ein Gesicht, eine Gestalt. Alles ist erlaubt, von der Schwiegermutter bis hin zu einer bestimmten Figur. Durch die bildliche Gestalt wird der innere Umgang mit dem Kritiker konkreter. Es wird Ihnen leichter fallen, sich aktiv mit Ihrem inneren Widersacher zu beschäftigen, wenn Sie ein Bild von ihm vor Augen haben.
3. Entkräften Sie Ihren INNEREN KRITIKER
Wechseln Sie in die „Erwachsenen-Perspektive“ in dem Sie sich z.B. fragen: „Was sage ich als erwachsener Mensch zu der Kritik des „gebrannten Kindes“? Dadurch gewinnen Sie die Deutungshoheit zurück und können die Situation realistischer einschätzen
4. Sehen Sie der Realität ins Auge
Überprüfen Sie die „Wahrheiten“ ihres Kritikers und durchleuchten diese aus erwachsener Sicht. Ein Beispiel: Ihr Kritiker sagt ihnen: „Ich bin ein schlechter Vater“ – die Wirklichkeit könnte jedoch eher so lauten: „Manchmal fehlt mir die Geduld und das Verständnis. Doch ich gebe mir Mühe und tue alles was ich kann, um ein guter Vater zu sein.“
5. Akzeptieren Sie Ihren INNEREN KRITIKERS
Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, denn er wird niemals ganz verschwinden. Gehen Sie daher verständnisvoll mit seinen (Ihren) Ängsten um. Das können Sie tun, indem Sie ihn innerlich auf den Arm nehmen und ihm z.B. sagen: „Vielen Dank, dass du Alarm schlägst, aber jetzt übernehme ich das Ruder.“ Es kann sehr sinnvoll sein, dass er Alarm schlägt. Das heißt jedoch nicht, dass Sie seine Sichtweise immer übernehmen müssen!
Dies sind nur einige Ansätze für einen besseren Umgang mit dem INNEREN KRITIKER. Mir persönlich haben Sie jedoch geholfen, eine andere Beziehung zu den inneren Stimmen aufzubauen und dadurch Situationen differenzierter bewerten zu können. Für eine intensivere Beschäftigung zu diesem Thema kann ich das Buch „Hermann! Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker“ von Tom Diesbrock empfehlen. Auch ich habe daraus Übungen übernehmen können.
Jetzt sind Sie aber an der Reihe. Probieren Sie es aus und geben Sie uns gerne Feedback!
Herzliche Grüße
Philipp Grahn
Das ist ein spannendes Thema. An vielen Stellen habe ich mich ertappt gefühlt, ich werde mal probieren, die Tipps zu befolgen. Interessant ist, dass ich für viele Situationen tatsächlich bestimmte Menschen vor Augen habe, die in dem Moment mein innerer Kritiker sind, bildlich und mit Stimme. Das sind nicht immer die Eltern.
In meiner Studienzeit habe ich Kurse im Improvisationstheater genommen. Auch dort ist die innere Schranke oder die innere Zensur am Anfang ein großes Thema. Beim Improvisieren haben wir meist spontane Einfälle, wir vertrauen aber unseren Impulsen nicht und verwerfen diese. Meist ist dann die Idee, die durch die Zensur gelangt, weniger gut im Sinne des gemeinsamen Improvisierens. Es hat einige Kurse gedauert, mich davon ein Stück zu lösen. Trotzdem höre ich in meinem Alltag nach wie vor diese Stimmen …
Danke für die Tipps!